Montag, 19. Juli 2010
10.07.10 von Vice nach Istanbul
Obwohl alle auch am Samstag arbeiten mussten, standen wir nicht so zeitig auf. Es war scheinbar nicht zwingend notwendig schon früh im Betrieb zu sein. So ließen wir es mit dem Frühstück und alles weitere ein wenig ruhiger angehen. Als dann der Moment des Abschieds nahe war, ließ Necdet es sich nicht nehmen mich auch noch zum Bus zu bringen und dort das Busticket zu bezahlen. Auch dieses Mal war jeder Widerstand zwecklos – irgendwann resigniert man an der Großherzigkeit mit seinen Anliegen. Dann rauschten auch noch Ufuk mitsamt dem Schweden zum Abschied herbei. Da der Bus bald abfuhr viel dieser ein wenig knapper aus.
Es war eine schöne Zeit in Vice. Dort habe ich viele freundliche Menschen kennen gelernt. Auch wenn ich am selben Tag in Istanbul noch eine herbe Enttäuschung mit Türken erlebe, werden mir die schönen Erinnerungen für immer im Gedächtnis bleiben.
Trotz vieler Anfragen fand ich in Istanbul keinen Gastgeber der mich beherbergte. Wohl oder Übel musste ich deswegen in einem Hostel übernachten. Da ich ein wenig Geld sparen wollte, wählte ich ein Vierbett-Zimmer in einem recht zentral gelegenen Hostel. Die Übernachtung für 22 TL (etwas mehr als 11 Euro). Als die Modalitäten erledigt waren, mein Gepäck sicher verstaut war, machte ich mich auf den Weg ins Istanbuler Abenteuer.
Laut Informationen hat die Stadt 11 Mill. Einwohner. An Tagen wie diesem kamen mindestens noch mal 2-3 Mill. Touristen hinzu (eigene Schätzung). Zusammen genommen waren sehr viele Menschen unterwegs. Selbstverständlich gibt es unheimlich viele Geschäfte, Lokale und Verkaufsstände. Alle wollen etwas verkaufen und Geld an den Touristen verdienen. Oft wird man von irgendwelchen Leuten an gequatscht, die einen ins Lokal locken wollen. Einer der Anquatscher war sehr geschickt: Er hatte die Masche drauf die Passanten wie Bekannte zu behandeln. Zu mir sagte er, er erinnere sich an meine Person aufgrund meiner Haare. Ich müsse mich doch an die Begegnung erinnern. Da ich in der letzten Zeit so viele Kontakte hatte, konnte es durchaus sein ihn getroffen zu haben. Ich erinnerte mich an das Gespräch im Zug mit dem Türken auf den Weg nach Bratislava. Zunächst konnte ich mich nicht an sein Gesicht erinnern. Als ich ihn darauf ansprach – ihn fragte, ob wir uns aus dem Zug kennen. Bestätigte er sofort meine Vermutung und ich wusste, der verarscht dich doch. Dass gehört zu seiner Masche! Trotzdem war ich ihn nicht böse. Er war lustig, geschickt und im englischen sehr eloquent – was man von mir nicht behaupten kann. Mit einem Lächeln auf den Lippen ging ich weiter. So schlenderte ich Stunden durch die Stadt und fand es ausgesprochen schön! In einem Geschäft kaufte ich mir etwas zu trinken und ein paar Nüsse zum Essen. Als ich so vor mich hin schmausend daher ging, fragte mich ein Typ nach der Uhrzeit. So entwickelte sich ein Gespräch zwischen uns – man kennt dass ja. Der Typ war nicht allein, er hatte einen Kollegen. Beide sprachen englisch. Behaupteten ebenfalls nicht in Istanbul zu wohnen. Seinen, wie ich, Touristen. So schlenderten wir gemeinsam durch die Straßen der Stadt: Unterhielten uns über dies und dass. Scherzten. Lachten und hatten Spaß. Nach gut einer Stunde fragte mich einer der Knilche, was ich den heute so vor habe. Ich antwortete, eigentlich nichts besonderes: Durch die Stadt laufen. Die Stadt auf mich wirken lassen und irgendwo das Spiel um den 3. Platz schauen. Und das Spiel sollte schon bald beginnen. Also beschlossen wir uns das Spiel gemeinsam in einer Bar anzuschauen, wo wir auch ein Bier trinken konnten. Die Jungs meinten es sei besser mit einem Taxi zu fahren. O.k., zwar wäre ich lieber gelaufen, aber ich bin ja flexibel und meinen Begleitern gegenüber aufgeschlossen und war eh schon den ganzen Tag gelaufen. So fuhren wir in die Gegend wo sich mein Hostel befindet. Dort gingen wir in eine Straße mit dichtem Gedränge. Eine Lokal und Restaurant Straße. Dort war es nicht gerade einfach ein Lokal zu finden, wo noch 3 leere Plätze frei waren. Als wir schließlich in einem Lokal platz nahmen begann auch schon kurz darauf das Spiel. Wir tranken ein Bier, wobei einer der Vögel sich einen Drink (Wodka + Redbull) bestellte (und eigentlich die ganze Zeit über nichts davon trank. Zwar führte er öfters den Strohhalm zum Mund, aber wesentlich leerer schien das Glas nicht zu werden – viel mir später auf). Nach der ersten Hälfte des Spiels meinte der Redbull-Typ wir sollten woanders hingehen. Es sei schließlich nicht das Finale. O.k., sagte ich. Ich war gut drauf und wusste die Gesellschaft von Einheimischen zu schätzen. Der Biertrinker sagte er kenne einen Club, wo vor einem Jahr schon mal war, da könnten wir hinfahren. Der Biertrinker bezahlte die Rechnung (hatte auch schon zuvor das Taxi bezahlt) und trank ein wenig von dem Drink des Anderen (nichts verkommen lassen, dachte ich – kennt man doch). Wieder in ein Taxi gestiegen und zum Club gefahren. (Taxi bezahlte wieder der Biertrinker) Wir stiegen aus dem Taxi und betraten den Club.Mir fiel nichts außergewöhnliches auf: Ein Club mit Tanzfläche, es tanzten 2 Mädels. Der Laden war offen, jeder konnte ohne klingeln oder Türsteher die Kneipe betreten. Es gab 2 Fernseher und man konnte das Spiel weiter verfolgen – das war schon mal ganz gut! Der Biertrinker fragte mich was ich Trinken möchte. Ich gab ihn zur Antwort: Wasser. Wasser? Meinte dieser. Das kann doch wohl nicht mein Ernst sein.Wir müssen Raki trinken, gab er zurück. O.k., dachte ich, dann trinken wir halt einen Raki und ein Wasser. Kurz nach der Bestellung, fuhr der Kellner das Gedeck auf: Eine Karaffe mit Raki, 2 Wasser, natürlich Gläser, aber auch Obst und Käse. Da musste ich an die Bulgaren denken und ihre Art Schnaps zu trinken. Und machte mir nicht weiter über die Geschichte Gedanken. Kurz darauf schickten sich drei Mädels an, Platz an unserem Tisch zu nehmen. Auch dies ließ ich mal einfach über mich ergehen (im Nachhinein muss ich wirklich sagen, ich lief nach den tollen Eindrücken von Vice wie vor dem Kopf geschlagen durch Istanbul und dachte nicht im Traum daran, dass mich die Leute über das Ohr hauen würden.) Kaum saß die Russin, wie sich kurz darauf herausstellte, neben mir, brachte ihr auch schon der Kellner ein kleines Getränk (Wodka + Redbull). Sie sprach sehr gut englisch wodurch es keine wesentlichen Kommunikationsprobleme gab. Das Gespräch drehte sich im Wesentlichen um alltägliche Dinge, die mich interessierten: Sie lebte, nach ihrer Aussage, schon seit 5 Jahren in der Stadt. Da wollte ich natürlich wissen, ob man den als Russin ohne weiteres hier wohnen kann. Wie hoch die Mieten in der Stadt sind, usw. Bei dem Geplauder war ihr Drink schnell getrunken. Da fragte sie mich, ob sie noch etwas zu trinken bekommt. Ich dachte, na ja, bisher war es ja nicht besonders teuer in der Türkei und so teuer sieht der Laden auch nicht aus. Ergo, kann ein Drink auch nicht die Welt kosten. Also gab ich ihr mein o.k. fuer einen weiteren Drink. Als sie den erhielt, gab sie ihn gleich dem Kellner zurück, denn sie mochte kein Eis in ihrem Getränk. So quatschten wir weiter. Zwischendurch schaute man natürlich wie das Spiel so verläuft, was die Kollegen so treiben – die plauderten mit ihren Mädels – alles klar. Die Zeit verging. Der 3. Drink stand an – wau, dachte ich, die trinkt aber recht zügig. Na gut, sind kleine Gläser, aber trotzdem. Da mir die Geschichte langsam doch wenig professionell vorkam, fragte ich sie, ob sie eine Solche ist? Nein, gab sie zur Antwort. Na dann, welchen Job sie den ausübt? - Ich sei ihr Job, erhielt ich als Antwort. Da machte es bei mir: Klingeling! Ich fragte das Mädel, wie teure ist eins deiner Getränke? Sie wisse es nicht, bekam ich zur Antwort. Worauf ich ihr meine Annahme mitteile, dass ich ihr nicht dies nicht abnehme. Nun wendete ich mich an einen meiner Begleiter, und fragte ihn nach den Preis ihres Getränks. Dieser schaute auf die Karte und nannte mir den unglaublichen Preis: 150 TL! Was 75 Euro bedeutete! Da musste ich zunächst kräftig lachen. Und der Drecksack lachte auch noch mit. Denn ab da war mir alles klar. Die Knilche streiften am Nachmittag durch die Stadt auf der Suche nach ein Opfer. Da trafen sie auf mich: einen durchgeknallten Deutschen, der nicht ganz in der Welt zu sein schien. Beide hatten die Aufgabe mich in das Lokal zu locken.
Nach dieser Erkenntnis wollte ich jetzt aber wissen wie teuer der gesamte Spaß ist. Als der Kellner die Rechnung präsentierte, viel ich bald vom Glauben ab: 1200 TL! Was für jeden 200 Euro
bedeutete. Auf meine ungläubigen Einwände hin, meinte der Wirt nur, überall im Lokal wären die Preise einsichtig, die sind kein Geheimnis. Astrein, dachte ich. Wie blöd bist du eigentlich! Polizei rufen hat vermutlich keinen Sinn – was soll dabei herauskommen? Nur zusätzlichen Ärger vermutlich. Wenn ich nicht bezahle schlagen mir vermutlich die Schläger der Kneipe die Fresse kaputt – auch keine gute Idee. Es blieb mir quasi keine andere Wahl, ich musste die Scheiße bezahlen. Die Knilche reagierten auf den ganzen Vorfall relativ gelassen. Keine Wutausbrüche oder sichtbaren Ärger. Als ob es dass selbstverständlichste von der Welt wäre. Einer der Spezialisten ging kurz nach draußen, um vom Geldautomaten Geld zu holen. War aber nach wenigen Minuten schon wieder da. Kaum genug Zeit, um eine derartige Aktion zu bewerkstelligen. Die Typen steckten auf jeden Fall mit der ganzen Crew der Kneipe unter einer Decke. Ein abgekartetes Spiel lief hier. Mit meiner Meinung hielt ich natürlich nicht hinterm Berg. Die Typen widersprachen jeglicher Anschuldigung. Pikiert über meine Theorie spielten sie die Beleidigten. Was ich mir den einbilde, sie müssen jetzt ein Großteil ihres Gehalts zahlen. Ich hatte absolut die Schnauze voll. Der Abend war für mich gelaufen.
Als ich im Hostel in mein Zimmer im Bett lag war ich sauer, verärgert (am meisten über mich selbst) und traurig zugleich. Wie konnte mir dass nur passieren?
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