Mittwoch, 28. Juli 2010
23.07.10 von Canakkale nach Arac
Um 9:30 kam ich in Ankara an. Leider konnte ich nicht wie erhoffte unmittelbar in einem Anschlussbus umsteigen, sondern musste erneut, wie schon in Istanbul, bis 14:30 warten. Im Trubel des natürlich riesigen Busbahnhofs fand ich erst nach einigen Suchen ein etwas abgeschiedenes Café. Dort war es nicht nur möglich erheblich ruhiger zu verweilen sowie günstiger etwas zu trinken und zu essen kaufen, sondern auch die dort vorhandene Toilette benutzen. Besucher aller anderen Etablissements des Klotzes mussten die kostenpflichtigen Toiletten aufsuchen. Was ich ehrlich gesagt als Unverschämtheit empfand.
Anyway, auch die Zeit verging – und - es noch nicht einmal langweilig. Das Ziel, die Wohnstätte von Emres Vater Arac wurde schließlich um 19 Uhr erreicht. Unterwegs setzte ich Emre via SMS über die planmäßige Ankunftszeit 18:30 in Kenntnis. Trotz der Verspätung erwartete Ergogan mich am dortigen Otogara. Nach der herzlichen Begruessung fuhren wir zu seinen schön gelegenen Haus. Das ebenfalls von einer älteren Dame bewohnt wird: Emre hatte mir schon zuvor in Canakkale berichtet, dass die Frau eine sehr entfernte Verwandte sei und von dem Vater aufgenommen wurde. Seitdem kümmert er sich um die noch recht fit erscheinende 94-jaehrige.
Da seit meiner Abreise aus Canakkale mittlerweile 20 Stunden vergangen waren, während dessen ich kaum geschlafen oder zumindest bequem geruht und ich außer ein paar Kleinigkeiten nichts vernünftiges gegessen hatte, war ich sehr dankbar für das folgende von Erdogan auf einen kleinen Ofen zubereitete Mahl. Wonach Ergogan meinte mir noch ein wenig Arac zeigen zu müssen. So fuhren wir in das kleine Städtchen von 5800 Einwohnern (was in der Türkei immer am Ortseingangsschild veröffentlicht wird. Wobei die Frage - wie oft die Schilder wohl ausgewechselt werden? - von mir nicht gestellt wurde).
Im Ort bogen wir in eine kleine Straße ein in der es hoch her ging. Laute Musik beschallte ein Haufen von schaetzungsweise 100 Leuten: wovon nahezu die Hälfte aus Kindern bestand. Das aus meiner Sicht bemerkenswerte Event verließen wir nach kurzer Zeit schon wieder, um ein Anderes aufzusuchen. Unterwegs stellte ich überrascht fest, wie viele Menschen sich zu später Stunde noch in dem Städtchen bewegen.
In der nächsten Veranstaltung wurde strikte Geschlechtertrennung praktiziert: Frauen lauschten und tanzten z.T. zu der auch nicht gerade leisen Musik. Die Männer hingegen saßen unter ein Art Baldachin ohne Getränke vor sich in Reihe und Glied und plauderten - sofern sie etwas zu plaudern hatten. Als wir eintrafen wurden sogleich einige Hände geschuettelt und uns etwas zu essen hingestellt, was scheinbar auch für uns bestimmte war. Doch nach den üppigen Mahl zuvor war ich – Höflichkeit hin oder her – nicht in der Lage ein weiteres Mal zu zuschlagen
Die Siedlung wurde aber nicht nur Aufgrund der Feier (oder was es auch immer war. Denn ich fragte mich, ob es freitags Abend immer so zugeht) aufgesucht, sondern auch weil – was ich wiederum zunächst nicht verstand – der Vater dort eine weitere Wohnung unterhält. Nach einem Aufenthalt von einer halben Stunde, in der ein auch etwas später erschienener adrett gekleideter Herr mit mir versuchte Deutsch zu sprechen, verließen wir wieder die Veranstaltung, um zur Ersten zurück zu kehren. Dort wurde zwischen zeitlich eine Schueppe drauf gelegt: 2 Musiker gaben nicht musikalisch, sondern auch vom Auftritt her ihr Bestes. Der Trommler nahm, während er mit einer großen Trommel vor dem Bauch trommelte, Geld, welches von einigen Anwesenden auf den Boden gelegte Geld wurde, mit Mund auf. Doch nach einiger Zeit bekam er mit den ganzen Scheinen im Mund erhebliche Schwierigkeiten weiteres Geld zu picken, ohne dabei schon erhaschte Scheine zu verlieren. Vielleicht kommt daher der Spruch – man soll den Mund nicht zu voll nehmen. Nachdem auch hier einige Hände geschüttelt waren, wurde uns ein Platz auf den Stühlen offeriert. Es war eins der ungewöhnlichsten Spektakel der letzten Jahre, dem ich anschließend beigewohnt habe:
Das Getrommel und Geflöte ging noch einige Zeit; wo zu dann auch schon Mal getanzt wurde. Doch der richtige Tanz begann erst nach dem Auftritt der Musiker. Durch laute zum Teil schrille und übersteuerter Beschallung aus den Lautsprechern. Selbst die jungen Kerle mit wilden T-Shirt und moderner Hose ließen sich nicht lumpen und tanzten in dem Stil von Alexis Sorbase. Bei den Mädels sah es so aus, dass selbst die jüngsten ihren Hüftschwung mit einem Tuch voller goldener Taler am Saum betonten. Rundherum saßen oder standen ein Haufen Leute sowie potenzieller Tänzer. Eerdogan und mir wurden dann ein paar suesse Blätterteigteilchen gereicht, die sich nicht zurückgeben ließen. Später beobachtete ich Erdogan, wie er auf der anderen Straßenseite einer Frau vertraut die Hand hält Da wusste ich: Das ist seine Ehefrau! Gemeinsam fuhren wir kurz darauf zurück zu der Siedlung und betraten die Wohnung im Kellergeschoss. Wie ich richtig vermutete, bewohnt Erdogan ebenfalls die Wohnung. Wobei mir rätselhaft blieb warum er sie mir nicht schon zum früheren Zeitpunkt präsentierte. Vieles des insbesondere ländlichen Lebens der Türkei wird natürlich durch die religiös unterlegten Verhaltensweisen bestimmt. Dazu zählte auch, dass sich Edogan ganz verstohlen umblickte, als beim Betrachten seiner Bilder plötzlich ein Bild seiner Frau ohne Kopftuch auftauchte (und schnell wieder verschwand).
Zu guter Letzt an diesem Tag fuhren schließlich wieder ins Heidehaus - wie Emre es nannte, wo wir uns zum Schlafen betteten. Erdogan fuhr also nicht wieder zurück: Er schlief gemeinsam mit der Oma und mir in dem Haus.
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